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Hat das Autohaus von heute keine Zukunft?

Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel – wir stecken mitten in einem rasanten Umwälzungsprozess, der keine Wirtschaftsbranche verschont. Massiv betroffen sind unter anderem die Autohäuser, die immer noch den Löwenanteil aller Autoverkäufe abwickeln. Mehrere aktuelle Studien zeigen auf, dass sie sich gravierend verändern müssen, wenn sie am Markt überleben wollen. Aus den vorliegenden Ergebnissen schlussfolgern wir, dass was für nahezu alle Unternehmen gilt, gilt für die Autohäuser in ganz besonderem Maße. Sie müssen sich mit der Digitalisierung und ihren individuellen Möglichkeiten auseinandersetzen.

Dass das Internet die Automobilbranche umkrempelt, ist nicht neu. Bemerkenswert ist jedoch, mit welcher Geschwindigkeit sich die Entwicklung vollzieht. Schon im letzten Jahr wurde weltweit rund ein Drittel aller Neuwagen, Gebrauchtwagen und Jahreswagen online gekauft. Diese Menge hatte die renommierte internationale Unternehmensberatung A. T. Kearney vor vier Jahren erst für das Jahr 2020 prognostiziert.

Überleben die Autohäuser?
Und der Trend beschleunigt sich weiter. Laut einer von der internationalen Managementberatung Bain & Company erstellten Untersuchung mit dem Titel „Wie überlebt der Automobilhandel?“ vom Mai 2019 werden bis 2025 mehr als 30 Prozent aller Neuwagen in Europa über das Internet verkauft. Der Grund dafür sind relativ verlässliche Händler- und Produkt-Bewertungssysteme sowie verbraucherfreundliche Rückgaberegelungen. Einer knapp drei Jahre alten Studie von A. T. Kearney zufolge soll 2025 sogar nahezu jeder Zweite, der auf einem der großen etablierten Automärkte ein Neufahrzeug erwirbt, dafür einen Onlinekanal nutzen.

Die Schnelligkeit, mit der sich der Wandel vollzieht, liegt auch an der demographischen Entwicklung: Diejenigen, die einen Händler persönlich aufsuchen, um nach einer Probefahrt ein Auto zu kaufen, sind zunehmend ältere Menschen. Die internetaffinen jüngeren Autofahrer hingegen kaufen häufig dort, wo sie den besten Preis bekommen – und das ist immer öfter ein reiner Onlinehändler als das Autohaus um die Ecke.

Autokauf ohne Probefahrt
Das ist kein Wunder. Bei den unter 30-Jährigen stört sich jeder Vierte an umständlichen Preisverhandlungen beim Autohändler, wie aus einer Umfrage des Beratungsunternehmens Accenture unter mehr als 600 Endkunden in Deutschland, Großbritannien und Frankreich hervorgeht. Und jeder fünfte Autokäufer ist mit dem letzten Verkaufsprozess insgesamt unzufrieden.

Davon profitieren immer mehr Start-Up-Unternehmen und neue Autohersteller, die Kunden mit durchautomatisierten Prozessen und attraktiven Onlineauktionen auf ihre Plattformen locken. In der Autokäuferstudie von A.T. Kearney wurde schon 2016 prognostiziert, dass es nach einer bereits absehbaren „zweiten Welle“ der Digitalisierung gar keine Medienbrüche mehr geben wird, weil der komplette Kaufprozess online stattfindet. Immer mehr „Digital Natives“ können sich demnach vorstellen, ihr nächstes Auto ganz ohne vorherige Probefahrt zu kaufen.


Besuche im Autohaus werden seltener
Die Informationsphase vor dem Kauf wird längst weitgehend vom Internet abgedeckt. Während die deutschen Kunden früher im Durchschnitt fünfmal im Autohaus waren, bevor sie ein Auto kauften, waren sie es nach einer umfangreichen Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem November 2017 zuletzt nur noch 1,2-mal.

42 Prozent erwägen Onlinekauf von Autos
Da immer mehr deutsche Autofahrer erwägen, ihr nächstes Fahrzeug online zu erwerben, wird diese Zahl weiter sinken. Nach der erwähnten Studie von Bain & Company trifft das bereits auf 42 Prozent der Autokäufer zu.

Dass das Autohaus der erste Ansprechpartner bleibt, ist dabei keineswegs ausgemacht. Wie kürzlich eine repräsentative Umfrage der Gesellschaft PricewaterhouseCoopers International (PwC) ergab, können sich fast zwei Drittel der Konsumenten gut vorstellen, ihr Auto direkt beim Hersteller zu erwerben. Und die sind angesichts der radikalen Umwälzungen in ihrer Branche inklusive einer noch stärkeren Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette ohnehin darauf erpicht, das erwartete rückläufige Marktvolumen durch neue Geschäftsfelder abzumildern.

Gewinne aus Autoverkäufen halbieren sich
Auch das wird dazu beitragen, was die Wirtschaftsprüfung Deloitte in ihrer Studie „Future of Sales and Aftersales“ nun ermittelt hat: Bis 2035 sinken die Gewinne aus dem Verkauf von Fahrzeugen um 53 Prozent. Und mit dem Leasing- & Kreditgeschäft wird sich dieser Rückgang nicht kompensieren lassen – es soll Deloitte zufolge ebenfalls abnehmen, wenn auch „nur“ um 31 Prozent.

Etablierte Autohäuser unter massivem Druck
All das wird den schon jetzt starken Wettbewerb weiter verschärfen. In der Branche macht sich bereits so etwas wie Fatalismus breit: „Drei von fünf deutschen Autohändlern glauben nicht mehr an das eigene Geschäftsmodell“, fasste PwC kürzlich das Ergebnis einer Befragung von 1.800 deutschen Autohändlern zusammen.

Digitalisierung als Chance
Zum Teil liegt es auf der Hand, was zu einer zeitgemäßen Strategie zur digitalen Transformation für Autohäuser gehört. So ist es relevant, dass sie intensivere Kundenerlebnisse mit Alleinstellungsmerkmalen kreieren, auf Anfragen über alle Kommunikationskanäle hinweg unmittelbar reagieren können, Online-Terminvereinbarungen für Probefahrten ermöglichen, veränderte Mobilitätswünsche wie „Shared Mobility“ berücksichtigen und nicht zuletzt für eine bessere Ansprache der jüngeren Zielgruppe sorgen.

Extrem wichtig ist es zudem, über die unterschiedlichen Onlinekontakte frühzeitig mehr darüber zu erfahren, wonach die Kunden ganz konkret suchen. Wenn man es richtig macht, ist die Digitalisierung keine Bedrohung mehr, sondern sogar eine Chance. Das Autohaus hat eine Zukunft – aber nur wenn es handelt, bevor es zu spät ist.

Wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben, stehen wir gerne für Sie zur Verfügung!

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